POESIE

* * *
Naida

In der Nacht kauert sie sich im Fieber zusammen und jault.
Nein, die Leitwölfin schläft nicht.
Irgendwo, weit weg, tief in der Steppe,
sind die Wölfe ihr auf den Fersen.

Sie trägt jetzt ein Halsband, an der Kette
liegt sie, im hintersten Winkel der Hütte.
Ihr Herrchen hat sie Findling-Naida genannt,
doch er kennt sie nicht, diese Naida.

Königin aller kalmückischen Weiten der Steppe,
aller Saiga-Herden Hufe-Gewitter.
Beißt die Zähne sich aus an den Gliedern aus Stahl,
träumt dabei von der Kehle des Herrchens.

Und sie kommen sie holen, ihr Leittier.
Es ist da, ihr Rudel, zieht Kreise.
Alle Hunde im Dorf klemmen ängstlich den Schwanz ein,
kratzen wild an den Türen um Einlass.

Bleib lieber daheim, Brüderlein, es pfeift nicht der Wind durch die Fugen.
Das ist schon das Lied der Wölfe.

Los doch, reißt ein paar Schafe heut Nacht!
Trinkt euch satt an dem tiefroten Blut!
Irgendwie überstehen wir sie, diese Nacht,
nehmt sie endlich mit fort, unsere Naida!

Ich verkauf, was ich hab, auch mein letztes Hemd,
steig ins Flugzeug und – Hallo, da bin ich!
Zarte Fingerknöchel knacken in meiner Hand,
Tut mir leid, jetzt muss ich dir wehtun.

Sanft versengt dann mein Blick deine Haut,
Vorhang fällt, es endet das Schauspiel.
Von den Lippen, den dünnen, trink ich sie aus,
deine Bitterkeit, fall dir zu Füßen.

Hör sie an, die bittere Wahrheit:
Steck sie dir an den Hut, diese Wahrheit!

***
Wer hat noch nicht, wer will ’ne Krüppelseele?
Nehmt, fast geschenkt gibt es die heute
Langt zu, Flaneure, feingemachte Leute,
Braucht ihr nicht eine Buckel-Krüppelseele?

Sie ist nur bucklig, das ist alles,
kein bisschen hin, verbeult oder zerknittert
sie ist verkrüppelt in die Welt geschlittert
weiß nicht, dass sie ein arger Fall ist.

Wer hat noch nicht, wer will ’ne Krüppelseele?
Die Hemdsärmel, sie flattern im Vorbeigeh’n
Ach, Muttilein das Spiel hast du verdorben,
doch nicht erwürgt, kommst zitternd von der Stelle.

Wer hat noch nicht, wer will ’ne Krüppelseele?
Der Welpennase nach läuft sie dir vor die Füße
Was machst du hier, du Untier, sollst es büßen!
Begoss’ner Pudel jault aus heller Kehle.

Hör auf! Dein Traum ist Schlangenfraß und Wahn!
Schweig, Ausgeburt des Teufels, vermaledeite
Du bist es, den der Wolf wittert von Weitem!
Wer außer dir hätt‘ dem Gerechten Übel angetan?

Wer hat noch nicht, wer will ’ne Krüppelseele?
Wär‘ gut als Vogelscheuch‘ im Garten zu gebrauchen
Müsst‘ dann nicht mehr im Hinterhof rumschleichen
und mich als Hauch der Angst im Nacken quälen.

Gib’s zu, du bist es, Schatten, Krüppelseele!

* * *
Jungens, Bürschchen, Sprücheklopfer
Mit nacktem Bauch und Hos‘ gestopfter,
Im Kopf tanzt Läuse frohe Runde.
Bist du wild vor Hunger oder sternvoll?
Bringst erst den Hetzer, dann den Raufbold.
Für welche Macht gehst du zugrunde?
Für die barfüßige mit nichts zu kauen,
Für die der Arbeiter, der Bauern!
Als Loch auf dem Flicken lügt keine Zunge.
Nichts zu verlieren heutzutage am Abend
Des Gegners Kugel hat zum Treffen geladen.
Den großen Krach, den gibt es heut.
Für jedes Männlein fein, ein Karabinerlein,
Marke Eigenbau, Schlagring, Messerlein.
Hey, Aurora, schalt ein das Sturmgeläut!
Jungens, Bürschchen, Sprücheklopfer!
Früh werdet ihr zu Todesopfern.
Blutrot rinnt es aus der Brust
Die Hungersnot vorbei schon,
Halbstiefmutter Rus – die Greisin.
Und vor euch liegt die Sowjet-Rus!