Zur russischen Dichterin und Liedermacherin Olga Krause,1953 in Leningrad geboren, passt das sowjetische Leitmotiv „Jeder Genosse ist gleich“ wie die Faust aufs Auge. Obwohl sie schon früh mit Gedichten in Lokalzeitungen Geld verdient, handelt sie sich mit ihrer Lyrik auch von Beginn an oft genug Probleme mit den Genossen ein, die „gleicher“ sind.
Nach Abschluss einer Chorschule und praktischer Kunstausbildung arbeitet sie als Bühnenbildnerin in Leningrad, bis ihr Mitte der 1980er-Jahre der Durchbruch als Musikerin gelingt. Mit Konzertauftritten auf inoffiziellen und später auch offiziellen Bühnen hat sie sich in der Sowjetunion bereits einen Namen gemacht, als eine Tournee sie 1997 bis über die Grenzen der ehemaligen Sowjetunion hinaus unter anderem nach Deutschland führt. Statt der erhofften Freiheit kommt es nach dem Zerfall der UdSSR für sie, wie für viele, knüppeldick. Später muss sie miterleben, wie die Rechte von Lesben und Schwulen in ihrer Heimat weniger werden statt mehr.
„LGBT-Aktivistin ist kein Beruf“, sagt Krause später. Ihren Einsatz für Menschenrechte unter einem totalitären Regime – sie ist Mitbegründerin der ersten russischen Organisation zur Unterstützung von Lesben und Schwulen – kann man mutig finden. Für sie ist das nichts Besonderes: „Sich verstellen oder verstecken war nie mein Ding.“
Seit 2014 lebt Olga Krause in der Ukraine.
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Zähl, Hexenmeister, meine Planeten-Bahnen ab.
Damit ich sie nicht seh, bleibt mein Blick gesenkt.
So schaff ich’s ganz durch, falls es mich je gab.
Wie sag ich das jetzt, dass sich Mama nicht kränkt?
Wo die Krähen kreisen, sollst den Weg mir weisen,
mein Engel, den rechten, mit Kerzenschein.
Wer, wenn nicht die Seele, lässt die Brust schier zerreißen?
Wer, wenn nicht das Schicksal, soll eben nie sein?
Dezember 1993
Meine Liebste war dort, in Lwiw, geblieben. Wir hatten einander geschworen, für immer zusammen zu bleiben. Es war alles entschieden. Sie kannte eine Dame in Mukatschewo, die mir zu einem gefälschten Pass verhelfen würde, der mich als Mann auswiese, sodass ich meine Liebste würde heiraten können. Meine Liebste spielte Posaune. Gemeinsam rockten wir das Haus. Wie wir beide abgingen, wenn wir Tscheremschina spielten! Ich schrieb ihr Briefe. Ich wusste, wie man Briefe schreiben musste, damit sie dort drinnen beim Adressaten ankamen. Aber ich bekam keine Antwort.
Kurz vor Neujahr kam meine Busenfreundin Swetka Trojan frei. Wir hatten uns in der Anstalt angefreundet, da wir aus derselben Stadt und sogar derselben Schule waren, sie ging in eine Parallelklasse. Swetka erzählte mir, dass meine Liebste sich sofort, nachdem ich weg war, ein neu angekommenes burschikoses Mädchen angelacht und die beiden schon vor einem Monat Hochzeit gefeiert hatten – und einander verspochen, dass sie, sobald sie in Freiheit wären, zu einer Dame nach Mukatschewo fahren würden, die ihrer Neuen einen gefälschten Pass besorgen würde, damit sie auch richtig heiraten konnten.